Seite 1 von 1

Warum gibt es Schäden an den Big-Ends ?

Verfasst: Fr 9. Aug 2024, 09:41
von BEVELFRIEND
Hallo zusammen,

da ich mich nun stolzer Besitzer einer Darmah aus Erstbesitz nennen darf, wollte ich mich erst einmal intensiver mit der Technik beschäftigen. Meine Ducati ist Baujahr '77, also noch mit Campagnolo-Felgen & Ceriani-Gabel. Da sie vermutlich seit den 80ern eingemottet ist, mache ich mir etwas Sorgen um die inneren Werte.

Mich beschäftigt ein interessantes Thema, über das immer wieder geklagt wird: Weshalb versagen bzw. verschleißen bei Ducati-Königswellenmotoren (z.B. 900 SS/SD) die Big-Ends? Rollenlager am Pleuel verbindet man ja grundsätzlich mit Robustheit und weniger anspruchsvoller Schmierung, anders als bei Gleitlagern, wo viele Hersteller zu Beginn Schwierigkeiten hatten.

Mein Maschinenbau-Hintergrund lässt sich nicht immer verstecken, also verzeiht mir, wenn ich ab und zu ins „Ingenieurs-Deutsch“ verfalle ;)
Vielleicht hat sich der eine oder andere schon tiefer mit der Materie befasst und kann seine Erkenntnisse oder sein Wissen teilen.

Folgende Aspekte würden mir in den Sinn kommen:

I. Bedienfehler:

-Falsches Öl
Wälzlager reagieren eher empfindlich auf reibungsreduzierende Additive, Haftvermögen, Viskosität ...

-Ölwechselintervalle, Öl-Schlamm/Rückstände in Bohrungen

-Öl nicht auf Betriebstemperatur gebracht

-Standschäden (Kontaktkorrosion der Wälzlager)

II. Fertigungs-/konstruktionsbedingt:

-Ungünstige Lagerspiele
-Formabweichungen, Toleranzen
-Ungleichmäßige/unzureichende Härtung
-Verformung unter Last
-Werkstoffwahl der Kurbelwelle, Pleuel, Anlaufscheiben

Ich freue mich auf den Austausch mit euch!

LG. Wolfgang

Re: Warum gibt es Schäden an den Big-Ends ?

Verfasst: Sa 10. Aug 2024, 12:40
von humlik
Die zu knappe Lagerluft, so gewählt von Ducati oft nur wenige Mikrometer. Öl ist nicht entscheidend und die Materialien sind passend. Die laufen auch mit verstopfter Schlammhülse und Hubzapfen sofern die Luft stimmt. So ein Nadellager muss nicht überschwemmt werden, ansonsten könne die Nadeln rutschen und diese entstehenden Abplattungen helfen der Lebensdauer auch nicht.
Durch Pleueldeformation bei hohen Drehzahlen kann der Käfig / Rollen klemmen und danach deformiert sich das Ganze. Je nach Pleuel, also Nachbau oder original passiert das schneller oder weniger. Die Einstegpleuel sind mir als robuster vorgekommen als die Doppelsteg. Habe ja schon etliche KW und Pleuel überholt. Die originalen Nadellagerkäfige sind etwas robuster als meine Nachbauten mit Blechkäfigen. Wenn das Lagerspiel aber stimmt und man nicht auf der Rennstrecke fährt halten meine auch.

Gruss Konrad

Re: Warum gibt es Schäden an den Big-Ends ?

Verfasst: Sa 10. Aug 2024, 17:19
von BEVELFRIEND
Vielen Dank für deinen Beitrag, Konrad. Da hätte ich gleich zwei Anschlussfragen, zu denen ich bisher keine Infos gefunden habe.

Wie kommt es, dass an den seitlichen Lagerflächen der Pleuel von stärkeren Abnutzungen berichtet wird – so stark, dass teilweise aufgeschweißt werden muss?

Warum werden Pleuel manchmal mit gehärteten Lagerhülsen versehen, anstatt sie einfach für ein größeres Nadellager aufzuweiten?

Grüße,
Wolfgang.

Re: Warum gibt es Schäden an den Big-Ends ?

Verfasst: Sa 10. Aug 2024, 21:43
von humlik
Die erste Frage beantworte ich Dir nicht, jedenfalls im Moment nicht. Als Maschinenbauer kannst du dir dazu Gedanken machen. Was bringt eine solche Konstruktion zum seitlich wandern. Eine Hilfe, wie werden solche Kurbelwellen in Serie produziert.

Die zweite Frage, wenn du uns eine Bezugsquelle für Übermass Lager nennst? 38/44/21, wo gibt es Übermassnadeln mit 16.8mm Länge? Wie wird so ein Pleuel hergestellt? Wie gehärtet? Mach dir mal ein paar Gedanken dazu. Dann wirst du auch verstehen warum man Büchsen einsetzt und aufschweisst nach Schäden. Das mit den Büchsen hast du vermutlich hier schon mal gehört?

Gutes Studium und Sonntag

Gruss Konrad

Re: Warum gibt es Schäden an den Big-Ends ?

Verfasst: Mo 12. Aug 2024, 10:28
von BEVELFRIEND
Hallo Konrad,

habe mir daraufhin mal etwas Literatur zur Herstellung von Kurbelwellen angesehen.

Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat Ducati Einsatzstahl verwendet. Die geschmiedeten Pleuel sind wohl selektiv randschichtgehärtet.
Also galvanisch verkupfert (als Diffusionsbarriere), dann an den typischen Stellen das Kupfer wieder entfernt – aufgekohlt – gehärtet ... und so weiter.

Viel Material kann man da also nicht wegnehmen, bevor die gehärtete Randschicht zu dünn wird. Für manche Fahrzeugtypen gibt es tatsächlich Übermaß-Lagersätze. Aber ich kann nun absolut nachvollziehen, warum man zu der bewährten Reparaturlösung mit gehärteten Hülsen greift ... Das lohnt sich bei den kleinen Stückzahlen einfach nicht.

Das mit den Anlaufscheiben des Pleuels ist mir allerdings immer noch ein Rätsel. Die Japaner haben das grundsätzlich sehr haltbar hinbekommen, egal ob die schwimmende Lagerung am Kolben oder an der Kurbelwelle sitzt. Ich vermute, dass die Pleuel ständig an den Kurbelwangen anliegen bzw. angedrückt werden.
Zu wenig Axialspiel beim Pressen der Kurbelwelle gelassen? – Davon habe ich zumindest mal bei (überholten) Zweitakt-Kurbelwellen von der Suzuki GT750 der ersten Serie gehört.

Ja, ich weiß, ich bin etwas zu neugierig.

LG,
Wolfgang

Re: Warum gibt es Schäden an den Big-Ends ?

Verfasst: Mo 12. Aug 2024, 15:12
von humlik
Also das mit dem Einsatzhärten ist korrekt. Was machst du wenn die Härteschicht abgeplatzt ist?Büchsen. Die können einfach aus bestehenden Nadellager Büchsen gedreht werden.

Die Nadellager sind keine Norm Lager. Daher habe ich welche nachfertigen lassen.

Ich vermute du hast noch keine verschlissen Ducati Pleuel gesehen, oder? Der Käfig bearbeitet die Laufbahn und irgendwann ist dort der Durchmesser so groß, zb. 44.12. Das kannst du honen aber danach müsste man so grosse Nadeln zur Hand haben um in das gewünschte Lagerspiel oder Luft zu kommen. Wenn du eine Quelle findest wäre das super.

Probiere mal so eine Pleuel Paarung mit sehr wenig Lagerluft mit Zapfen in der Drehbank aus. Wohin laufen die Pleuel. Probiere noch den Zapfen taumelnd zu bewegen.
Wir machen danach hier weiter...
Grüße Konrad